In
Teil 1 wurden Passeigenschaften durchleuchtet. Üblicherweise wird nicht direkt gepasst, wenn man den Ball auf der 5er Reihe hat. Stattdessen versucht man sicherzustellen, dass der Pass auch erfolgreich ist. Dafür führt man den Ball auf der 5er Reihe und sucht nach Passmöglichkeiten. Zusammen ergeben die Bewegungen vor dem Pass das Setup. Sie leiten sich von den Passeigenschaften ab und generieren eine Erwartungshaltung. Die Erwartungshaltung wird hauptsächlich durch die technischen Möglichkeiten beeinflusst. Sie hängen vom generellen, technischen Anspruch, den eigenen Fähigkeiten und den persönlichen Präferenzen aufgrund der Passeigenschaften ab. Die Erwartungshaltung erleichtert dem Verteidigenden das Blocken. Sie kann aber auch gezielt manipuliert werden.
Generell werden intentionale Bewegungen, die die Erwartungshaltung des Verteidigenden beeinträchtigen sollen, als
Fake bezeichnet. Unbeabsichtigte Bewegungen werden als
Tell bezeichnet.
Option und Timing
Fakes und Tells lassen sich nach Option und Timing unterscheiden. Ein Option-Fake täuscht Anspielpositionen an, ein Option-Tell verrät sie. Ein Timing-Fake täuscht Abspielpostion und/oder Art der Lücke an, während ein Timing-Tell Abspielposition und/oder Art der Lücke verrät.
Beide Arten treten gemeinsam auf, wobei eine Art meistens überwiegt. Welche überwiegt, hängt von Durchführung und Verteidiger ab. Die Passeigenschaften generieren dabei spielerabhängig unterschiedlich starke Erwartungen.
Beispiel 1: Ein Anfänger lässt den Ball von der zweiten Puppe Richtung Bande rollen und fährt mit der ersten Puppe hinter dem Ball her. Dabei steht er leicht nach rechts versetzt, weil er einen Brush ins Feld spielen möchte. Weil der Brush ins Feld so einfacher zu spielen ist und die Puppenstellung unbeabsichtigt erfolgt, ist diese Passeigenschaft ein Tell. Ein erfahrener Spieler würde diese Puppenstellung intentional als Fake ausnutzen, um z.B. einen Bandenpass zu verschleiern.
In Beispiel 1 hat der Anfänger ein Option-Tell. Aus der Passeigenschaft "Passtechnik" (Brush) ergibt sich ein Timing-Tell, weil nicht von jeder Abspielposition ein Brush ins Feld möglich ist. Generell ist der Timing-Tell schwach, weil Brushs von vergleichsweise vielen Abspielpositionen ins Feld gespielt werden können. Es gibt aber (spielerabhängige,) bevorzugte Abspielpositionen, die den Timing-Tell stärker machen. Im Extremfall wird der Brush ins Feld nur von einer "Lieblingsposition" gespielt und der Timing-Tell wird sehr stark.
Beide Tells können unabhängig voneinander ausgenutzt werden. Je mehr Tells man nutzen kann und je stärker diese sind, desto leichter fällt das Blocken. In diesem Beispiel könnte man den Gegner durch seinen starken Option-Tell auf Feld verteidigen (reagieren, locken, usw.) und dabei nach Timing-Tells suchen.
Wahrnehmung
Fakes und Tells müssen vom Verteidigenden wahrgenommen werden, um Auswirkungen zu haben. Ein Fake ist wertlos, wenn der Verteidigende nicht auf die Passeigenschaften achtet, die man mit dem Fake imitiert. In Beispiel 1 möchte ein erfahrener Spieler die Passeigenschaft "Puppenstellung" zum Faken verwenden. Achtet der Verteidigende nicht auf diese Passeigenschaft, wirkt der Fake nicht auf ihn, weil er ihn nicht wahrnimmt. Entsprechend würde er auch nicht den Tell des Anfängers aus Beispiel 1 erkennen. Im Artikel
Offensive 5er Reihe wird konkret gezeigt, wie man mit Fakes verschiedene Passeigenschaften imitieren kann, um den Gegner zu täuschen.
Fakes und Tells sind immer aus Sicht des offensiven Spielers. Sie haben eine Auswirkung auf den Verteidigenden. Um ein runderes Bild zu erhalten, muss das Passspiel noch aus seiner Sicht betrachtet werden. Interpretiert der Verteidigende die Pässe des offensiven Spielers (über die Passeigenschaften), ist es für ihn schwer nachvollziehbar, ob es ein Fake oder Tell ist. Zum Blocken muss diese Unterscheidung meistens nicht getroffen werden. Sie wird erst interessant bei mehrfacher Verkettung von Interpretationen, wenn mehrere Pässe betrachtet werden. Wichtiger ist, ob Fakes bzw. Tells des Gegners bewusst oder unbewusst interpretiert werden. Eine bewusste Interpretation wird
Read genannt. Bei erfolgreichen Reads kann man Tells und Fakes des Gegners ausnutzen. Unbewusste Interpretation von Pässen führt zu
Reflexen. Sie lassen sich nur schwer kontrollieren und man fällt automatisch auf Fakes herein.
Betrachtet man sowohl offensiven, als auch defensiven Spieler, stellt man schnell eine Verkettung von Interpretationen fest. Diese soll in diesem Artikel noch nicht behandelt werden.
Setup
Die Bewegungen, aus denen das Setup besteht, wurden als Fakes und Tells identifiziert. Im Idealfall kontrolliert man die Informationen, die man dem Verteidigenden über die Bewegungen gibt und versucht eine Festlegung (
Commitment) zu erzwingen.
Beispiel 2: Ein Spieler versucht den Verteidigenden dazu zu bringen, sich an die Bande zu stellen. Dafür bewegt er den Ball im Tic-Tac zwischen der ersten und zweiten Puppe. Immer wieder spielt er den Ball schnell an die Bande (Fake: Ballgeschwindigkeit). Schließlich spielt er den Ball schnell an die Bande, lässt ihn abprallen und spielt einen Pass ins Feld.
In Beispiel 2 werden mehrere Anläufe aufgebracht, um immer deutlicher einen Bandenpass anzukündigen. So soll der Effekt des Fakes verstärkt werden. Die Fakes müssen aber nicht immer die gleiche Passeigenschaft imitieren. Ein Setup, bei dem verschiedene Passeigenschaften gefaket werden, ist schwieriger zu durchschauen.
Zusätzlich zu den Passeigenschaften gibt es für das Setup noch eigene Eigenschaften:
Bandenberührungen
Diese Setupeigenschaft gibt es nur im ITSF-Regelwerk. Dort darf man die Bande nur 2 mal berühren (mit der dritten muss der Pass erfolgen). Die Anzahl Bandenberührungen generiert also eine Erwartungshaltung und kann deswegen Tell oder Fake sein.
Zeit
Unterschiedlich langes Zeit lassen, kann verschiedene Informationen geben. Lässt man sich z.B. lange Zeit, kann man in Zeitnot geraten. Das generiert eine Erwartungshaltung (Tell oder Fake).
Viele greifen ab einer gewissen Anzahl Bandenberührungen oder nach langer Zeit zu ihrem Sicherheitspass, weil dieser technische Stabilität mitbringt (Setup-Tell). Dieser Effekt ist aber auch bewusst ausnutzbar, so dass man nach langer Zeit oder mehreren Bandenberührungen einen technisch anspruchsvollen Pass spielt (Setup-Fake)
Setup-Tells und Setup-Fakes lassen sich aber nicht an einem einzelnen Pass und dessen Setup erkennen. Dafür benötigt es mehrere Pässe.
Wie man mehrere Pässe betrachtet und wie man Strategien einbringen kann, wird im nächsten Artikel behandelt.
Autor: Lukas Übelacker
Passspiel 3 - Strategie
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